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Von Facebook, weißen Lieferwagen und Altkleidersammlern

ein Gastartikel von Marah Berenice Paschke

Jedes Jahr häufen sich um Frühjahr und Sommer die Verlustmeldungen über freilaufende Hauskatzen. Sie kamen immer pünktlich nach Hause forderten ihr Fressen, putzen sich zufrieden und rollten sich auf ihrem Schlafplatz ein… bis zum Tag X!

Da die Verlustmeldungen sich zu gewissen Zeiten (tatsächlich zu Zeiten heißer Witterung) häufen, entstehen wilde Gerüchte über weiße Lieferwagen oder Tierquäler welche Schlagfallen aufstellen, oder die armen Hauskatzen schlichtweg kidnappen um sie grausam zu quälen. Diese Gerüchte verbreiten sich in rasanter Geschwindigkeit, sind oft verbunden mit gruseligen Bildern von übel zugerichteten Katzen und diversen absurden Warnmeldungen. Je schockierender die Meldung desto schneller und unbedachter wird geteilt.

Keinesfalls wollen wir die Fälle von Tierquälerei und Giftködern verharmlosen oder gar leugnen. Es geht darum, deutlich auf die tatsächlichen Gefahren unserer Freigänger hinzuweisen welche angesichts von wilden Verschwörungstheorien gerne mal völlig verdrängt werden:

Die Gefahren des Straßenverkehrs

Der Verkehr ist etwas auf das unsere sonst so eleganten, cleveren Fellfreunde nicht geringsten angemessen reagieren können. Katzen können Geschwindigkeit und tatsächliche Entfernung von herannahenden Fahrzeugen nicht einschätzen. Sie sind nicht in der Lage die Folgen einer Kollision mit den großen lärmenden Blechmonstern zu verstehen oder sogar vorauszuahnen. In Folge dessen könne sie nicht geringsten angemessen reagieren wenn sie sich mit so einer Situation konfrontiert sehen.

tote Katze
Wenig Wochen altes Kätzchen, dass die Gefahren des Straßenverkehrs nicht kannte….

Aussagen wie „Sie bleibt an der Straße immer erst stehen und schaut ob ein Auto kommt…“ sind nicht nur total absurd, sondern täuschen auch noch darüber hinweg, dass unsere Katzen angesichts einer kleinen Maus oder einem Vogel schlichtweg nur noch instinktiv und impulsiv handeln. Sie rennen einfach los und konzentrieren sich nur noch auf Beute und deren Fluchtversuch. Ein schöner Vergleich ist hier der Fußball der selten auf die Straße rollt ohne das ein kleines Kind völlig kopflos hinterherrennt.

Gerne wird noch damit argumentiert, dass man schließlich in einer 30er Zone wohne und/oder hier eine beruhigte Verkehrszone Sicherheit bietet. Wir wissen genau, dass sich die wenigsten an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten und wenn der Fahrer schnell nach Hause möchte (meinetwegen drückt die Blase oder die Lieblingssendung fängt gleich an) sind die Vorgaben sowieso Geschichte. Man glaubt gar nicht wie oft in verkehrsberuhigten Zonen ein Blitzer auslösen würde. Nebenbei gesagt kann sogar ein Aufprallunfall mit Tempo 30 für den Fahrer mit schweren Verletzungen enden und Fußgänger übel verletzen. Ganz zu schweigen von den Kräften die auf einen kleinen Katzenkörper einwirken würden. Nicht immer werden Katzen von dem Aufprall an Kopf oder Rumpf getroffen- sie werden einfach überrollt.

Dazu möchte ich auf einen dramatischen Bildbeitrag in einer Facebookgruppe hinweisen. Hier wurde mit dem Foto einer kleinen schwarzen Katze mit komplett zermalmten Hinterbeinen nach einem Tierquäler gesucht, der angeblich Schlagfallen aufstelle.

Von Schlagfallen auf vier Rädern und imaginären Tierquälern:

Auch ein sehr junges Kätzchen das Opfer des Straßenverkehrs wurde
Auch ein sehr junges Kätzchen das Opfer des Straßenverkehrs wurde

Die Katze wurde auf einer Wiese nahe dem Haus der Besitzer gefunden (in der Nähe einer Straße) , sehr wahrscheinlich abgelegt, da das Tier aufgrund seiner Verletzungen keinen Meter mehrlaufen konnte.

Keine Schlagfalle weit und breit. Der Begriff „Schlagfalle“ fiel nämlich erst beim Tierarzt, der den Verdacht angesichts der schockierenden Verletzungen beim Einschläfern der Katze äußerte. Tatsächlich sehen Verletzungen durch Schlagfallen jedoch ganz anders aus- die Gliedmaßen (meist Vorderbeine) werden durch eine gerade Kante förmlich durchschlagen und hindern das Tier so daran zu entkommen. Die Verletzungen der Katze deuteten eher daraufhin, dass sie vom Reifen erfasst und mitgeschleift wurde. Dabei wird das Weichteilgewebe auf dem Asphalt quasi weggeschmirgelt und die komplette Haut einfach weggerissen.

Gehen wir den Fall noch einmal grob durch: Ein Tierquäler stellt Schlagfallen auf und befreit die darin gefangenen Katzen und legt sie den Besitzern vor ihr Haus? Wohl eher nicht. Andererseits wird ein Schuh daraus wenn man überlegt, dass die schwarze Katze nachts von einem Auto erwischt wurde und der geschockte Autofahrer sich nicht anders zu helfen wusste, als das Tier von der Fahrbahn zu heben und auf die nächstgelegene Wiese zu legen, damit man es dort findet und es nicht (noch lebend) von einem weiteren Auto überrollt wird. Das Verhalten ist natürlich dennoch völlig daneben, ist aber im Falle von Fahrerflucht bei Tieren durchaus bekannt und nicht weiter verwunderlich.

Der Aufforderung den Tierquäler zu finden und dazu den Post zur Warnung aller möglichst oft zu teilen, kamen natürlich zahlreiche User nach. Es wurde mit Vergeltung gedroht, Hasstiraden wurden gefeiert und sogar kleine Emoticons in Form von Pistolen genutzt. Eine absolut gruselige Reaktion wenn man bedenkt, dass die Kleine offensichtlich Opfer eines simplen wenn auch grausamen Unfalls wurde. Mir schoss kurz der Gedanke durch den Kopf, dass man statt Beschimpfungen zu posten durchaus auch Geld hätte spenden können. Durch die Masse an Teilnehmern dieses Internetmobs wäre wohl die Finanzierung einer sachgerechten Amputation der Gliedmaßen plus Endoprothesen oder zumindest Rollstuhl möglich gewesen. Soviel zu destruktiven und konstruktiven Reaktionen.

Nun war die Katze aber nun leider eingeschläfert worden, die Todesursache durch den forensisch versierten Tierarzt (*ironieoff*) geklärt und der Mob mit Fakeln und Heugabeln ausgestattet.

Katzen verschwinden meist im Frühjahr oder im Sommer:

00_Hauskatze_07Die Häufung der Verlustmeldungen steigt deutlich zusammen mit den Außentemperaturen. Die Tiere bleiben länger draußen, laufen weitere Strecken oder dösen einfach in der Hitze unter einem Busch. Sie werden aber auch unvorsichtiger, leiden unter der Hitze, werden dösig und können nicht mehr so schnell reagieren wenn ein Auto naht. Bei unkastrierten Katzen melden sich die Hormone zu Wort und machen sie völlig ferngesteuert- sie verlassen ihr sicheres Gebiet um den Traumpartner zu finden und verunglücken dabei nicht selten. Die meisten Tiere werden tot oder schwer verletzt natürlich nie mehr nach Hause kommen.

Beutetiere gibt es jetzt en Masse. Ein Fest für das Raubtier Katze! Das stört aber auch den Nachbarn, der sich durch absurde Ängste dadurch genötigt fühlt ordentlich Giftköder in seinem Garten auszulegen um sich der Mäuseplage möglichst elegant zu entledigen. Katze frisst sterbende und jetzt auch langsamere Maus und nimmt genügend Gift auf um sich dabei auch noch zu töten.

Es gibt leider auch Hunde mit starkem Jagdtrieb und die töten mit einem gezielten Biss eine ausgewachsene Hauskatze mit Leichtigkeit. Das tote Tier bleibt auch hier meist verschwunden. Füchse und große Raubvögel bringen leider auch Jungtiere um und so enden oft auch kleine Kitten frühzeitig.

Man braucht also nicht lange suchen um eine enorme Liste an tödlichen Gefahren für unsere Freigänger erstellen zu können und wir sind hier noch nicht einmal auf die Problematik von erschossenen Katzen und engstirnigen Jägern eingegangen. Jenseits von irren Tierquälern gibt es reichliche Gründe für eine Katze zu verunglücken.

EINE TOTE KATZE KOMMT NICHT MEHR NACH HAUS!
SIE BLEIBT VERSCHWUNDEN!

00_Hauskatze_31Sucht die Schuld nicht bei Anderen oder gar imaginären Tierquälern mit Schlagfallen und weißen Lieferwagen – überlegt lieber was IHR tun könnt um die Katze gar nicht erst diesen Gefahren auszuliefern. Wenn ich diese Gefahren kenne, frage ich mich wie Katzenhalter noch ruhigen Gewissens schwarze/dunkel getigerte Katzen nachts an Straßen rauslassen können oder der Katze unbesorgt nachzuwinken wenn sie die Terrassentüre durchschreitet. Die wenigstens von uns wohnen so, dass wirklich ein Freigang ohne Einschränkung möglich ist. Wenn kein Verkehr in der näheren Umgebung ist, muss man noch an andere Wildtiere denken welche Katzen reißen. Lebt man in einer Sackgasse muss man trotzdem mit Giftködern rechnen. Nicht selten schleichen sich Katzen in den Motorenraum eines PKWs und werden beim Starten des Fahrzeugs vom Keilriemen erfasst. Hier wurden Katzen schon bei lebendigem Leib gehäutet.

Wenn die Katze raus soll, ist es doch wirklich naheliegend über die Sicherung des Gartens nachzudenken. Jeder Hundebesitzer weiß, dass ein freilaufender Hund sich in Lebensgefahr begibt und bei einer Katze ist es keinesfalls anders. Im Gegenteil – sie ist noch unauffälliger und wird aufgrund ihrer Größe allein schon übersehen!

Ein vernetzter Balkon und ein gesichertes Fenster schützen ebenfalls vor Ausbruch und lasst eure Katzen chippen auch wenn sie in der Wohnung leben. So hat man evtl. noch die Chance das Tier lebend zurückzubekommen oder hat zumindest Gewissheit was dem Tier widerfahren ist. Manchmal werden Katzen auch aus vermeintlichen Streunertum heraus von zu hilfsbereiten Passanten mitgenommen. Ein Chip klärt die Situation beim nächsten Tierarztbesuch und Ihr bekommt Eure Katze vielleicht sogar zurück.

Jagt nicht den weißen Lieferwagen! Schützt Eure Katzen vor den bekannten Gefahren! Sie brauchen Eure Hilfe und sind auf Euer Verantwortungsbewusstsein angewiesen. Auch wenn es bis heute gut ging- irgendwann kommt der Tag X und dann ist es vielleicht zu spät.

Und ganz ehrlich…den Satz: „Dafür hatte sie aber ein schönes Leben…“ mag keiner mehr hören.


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