Von SocialMedia, Weißen Lieferwagen und Altkleidersammlern
Zwischen Mythos, Mieze und Massenhysterie
Es ist wieder soweit. Der Frühling kommt, die Sonne scheint, und aus den Tiefen der Facebook-Gruppen kriechen sie hervor: die Warnungen. Weiße Lieferwagen, Katzenfänger, dunkle Machenschaften – das volle Gruselkabinett. Natürlich mit verschwommenen Bildern, einem Hauch Drama und dem Satz „Ich teile das nur zur Sicherheit… man weiß ja nie!“
Doch was weiß man wirklich? Offensichtlich nicht viel – außer, dass das Internet der perfekte Nährboden für Panik in Reinstform ist. Denn wer braucht schon Logik, wenn man einen Lieferwagen gesehen hat? Und der war… halt weiß. Das reicht!
In diesem Beitrag räumen wir gnadenlos auf. Mit Mythen. Mit Halbwahrheiten. Und mit der Idee, dass Hauskatzen in den Hinterhöfen zu Pelzmänteln verarbeitet werden. Wer schwache Nerven hat, soll jetzt bitte Katzenvideos schauen – alle anderen sind herzlich eingeladen, sich mit einer Portion Sarkasmus und einer Schaufel Realität durch das Gerüchtechaos zu graben.
Vor einigen Wochen wurde mal wieder ein „Warnhinweis“ in einer lokalen Gruppe veröffentlicht.
Ich habe versucht argumentativ gegenzuhalten aber die leichtgläubigen verbohrten Damen hatten absolut kein Einsehen, sondern kamen mit vermeintlichen Meldungen, dass dies doch stimme um die Ecke.
Ich habe mir im Zuge dessen ihre Meldungen genauer angesehen und weiterverfolgt. Auch ich kann mich irren und vielleicht ist da doch noch was dran.
Spoiler: Nein ich habe mich nicht geirrt
Es ist doch im Internet, es muss wahr sein!
Ich habe mir nicht nur die diversen „Meldungen“ angesehen, sondern auch noch mir verschiedene Videos zu Gemüte geführt.
Kurzfassung – es ist echt unfassbar, dass man aufgrund dieser Videos so eine Panikmache betreibt.
In allen Videos wird gesprochen von „es könnte“ oder „möglicherweise“, „eventuelle – in keinem einzigen der Videos, und es sind einige, gab es konkrete Informationen zu weißen Lieferwägen / Tierfänger / Fellhandel.
In KEINEM einzigen Video!
Aber sehr gerne werden diese herangezogen als Beweis das da an der Sache doch was dran ist, denn es ist ja im Internet.
Ganz ehrlich, wenn ihr schon zum 10. Mal den Leuten versucht zu erklären das es Humbug ist, ist man schon kurz davor zu sagen
„Haltet doch mal den Kopf schief, vielleicht läuft das Hirn zusammen und ihr kommt dann ja drauf das es nicht stimmt“
Warum stimmt es nicht?
- Handel mit Katzenfellen ist europaweit verboten (Polen gehört auch zur EU!)
- Eine Felltafel hat vor ca. 15 Jahren 1.300 DM gekostet – DM!
So eine Tafel besteht aus 12-15 Felle in der gleichen Farbe/Struktur. Wirtschaftlich gesehen – ein absolutes Fiasko, wenn da zwei Leute mit einem Lieferwagen durch die Gegend fahren, um Katzen zu fangen – Auto, Sprit, Zeit und die Gefahr „erwischt“ zu werden bei einer nicht legalen Tätigkeit – Leute ehrlich, wer macht denn sowas?
- Ein weißer Lieferwagen fährt durch die Gegend und fängt Katzen für ein Labor – ja stimmt so – ist ein Roman von Konsalik und nennt sich „Wer sich nicht wehrt“. Netter, typischer Konsalik-Roman halt
Katzen haben eine hohe Reproduktionsrate – Labore brauchen genaue Messergebnisse und müssen alle Parameter abklären – da ist eine eigene „Zucht“ bedeuend besser/effektiver. Davon abgesehen finden viele Versuche gar nicht mehr so statt wie vor Jahrzehnten und müssen erst einmal von der Ethikkommision genehmigt werden. Also so einfach funktioniert das auch nicht.
Kleines totes Kätzchen am Straßenrand
Aber was ist dann die Ursache?
Ganz einfach: Es liegt nicht an geheimen Laboren, dunklen Hinterhöfen oder zwielichtigen Lieferwagenflotten mit Vorliebe für Samtpfoten. Die wahre Ursache ist… dramatische Pause …das Internet. Und ein guter Schuss kollektiver Verpeiltheit.
Wenn jemand auf Facebook ein verschwommenes Video teilt, in dem ein weißer Kastenwagen am Straßenrand steht und „möglicherweise“ nach Katzen jagt (was er in Wirklichkeit tut: parken), dann ist der Fall für manche schon abgeschlossen. Recherche? Fakten? Gesunder Menschenverstand? Pff… wird überschätzt.
Stattdessen stürzen sich die Lokalgruppen auf die Geschichte wie auf Gratisproben im Supermarkt – bloß mit weniger Nährwert. Je absurder, desto besser: Wenn’s im Netz steht und ein Screenshot existiert, dann ist es natürlich unwiderlegbare Wahrheit.
Und wenn du dann zum zwölften Mal versuchst, mit Gesetzestexten, Statistiken und einem Minimum an Logik zu erklären, warum niemand ernsthaft mit Lieferwagen durch Wohngebiete schleicht, um illegal Felltafeln herzustellen… dann kommt wieder das Argument:
„Aber ich habe da ein Video gesehen…“
Ja, Mäuschen. Und ich habe mal ’nen Film gesehen, in dem Dinosaurier durch Städte rennen. Trotzdem hat sich mein Nachbar nie mit einem T-Rex um den letzten Parkplatz gestritten.

Fakten die keiner hören mag (aber verdammt nochmal hören sollte)
Im Frühling und Sommer verschwinden Katzen reihenweise. Nicht weil Lieferwagen mit Tarnumhang sie einsacken, sondern weil warme Temperaturen nun mal „Draußen-Spielzeit“ bedeuten – mit allem, was dazugehört: Straßenverkehr, Hormonschub, Mäuseparty und leider auch Endstation Asphalt.
Aber statt mal realistisch zu bleiben, wird wieder das große Märchenbuch aufgeschlagen: Weiße Lieferwagen, fiese Tierquäler mit Hightech-Fallen, das volle Paket Netflix-Horror mit Facebook-Filter. Bonuspunkte gibt’s, wenn das Foto der blutverschmierten Katze in Sepia ist.
Keinesfalls will ich die Fälle von Tierquälerei und Giftködern verharmlosen oder gar leugnen, ganz im Gegenteil – denn diese gibt es unbestritten und diese sind eine enorme Gefahr für unsere vierbeinigen Lieblinge.
Aber es geht mir in diesem Beitrag darum, deutlich auf die tatsächlichen Gefahren unserer Freigänger hinzuweisen, welche angesichts von wilden Verschwörungstheorien gerne mal völlig verdrängt werden:
Kleines, totes Kätzchen, noch keine 12 Wochen alt ….sie wird keine 13 Wochen ……
Die Straße – Endstation für viele Fellnasen
Der Verkehr ist etwas auf das unsere sonst so eleganten, cleveren Fellfreunde nicht geringsten angemessen reagieren können. Katzen können Geschwindigkeit und tatsächliche Entfernung von herannahenden Fahrzeugen nicht einschätzen. Sie sind nicht in der Lage die Folgen einer Kollision mit den großen lärmenden Blechmonstern zu verstehen oder sogar vorauszuahnen. Infolgedessen könne sie nicht geringsten angemessen reagieren, wenn sie sich mit so einer Situation konfrontiert sehen.
Aussagen wie „Sie bleibt an der Straße immer erst stehen und schaut ob ein Auto kommt…“ sind nicht nur absurd, sondern täuschen auch noch darüber hinweg, dass unsere Katzen angesichts einer kleinen Maus oder einem Vogel schlichtweg nur noch instinktiv und impulsiv handeln.
Sie rennen einfach los und konzentrieren sich nur noch auf Beute und deren Fluchtversuch. Ein schöner Vergleich ist hier der Fußball der selten auf die Straße rollt, ohne dass ein kleines Kind völlig kopflos hinterherrennt.
Gerne wird noch damit argumentiert, dass man schließlich in einer 30er Zone wohne und/oder hier eine beruhigte Verkehrszone Sicherheit bietet. Wir wissen genau, dass sich die wenigsten an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten und wenn der Fahrer schnell nach Hause möchte (meinetwegen drückt die Blase oder die Lieblingssendung fängt gleich an) sind die Vorgaben sowieso Geschichte.
Man glaubt gar nicht wie oft in verkehrsberuhigten Zonen ein Blitzer auslösen würde. Wir wohnen selbst in einer 30er Zone und wenn am Tag 1 Autofahrer sich an diese Geschwindigkeitsbegrenzung hält, liegt das daran das gerade wieder alles vollgeparkt ist und ihm von der anderen Seite ein Auto entgegenkommt. Nicht selten hören wir wie die Motoren aufheulen, um ja noch mal schön Gas zu geben. Also könnte man auf den 100 Metern einen Geschwindigkeitsrekord brechen.
Nein kann man nicht. Versprochen!
Nebenbei gesagt kann sogar ein Aufprallunfall mit Tempo 30 für den Fahrer mit schweren Verletzungen enden und Fußgänger übel verletzen.
Ganz zu schweigen von den Kräften, die auf so eine kleine Katze einwirken würden. Nicht immer werden Katzen von dem Aufprall an Kopf oder Rumpf getroffen- sie werden einfach überrollt.
Von Schlagfallen auf vier Rädern und imaginären Tierquälern
Facebook-Drama-Alarm: Eine Katze mit zerfetzten Beinen – der Schuldige ist sofort klar. Der örtliche Tierquäler! Beweis? Eine verletzte Katze, eine vage Vermutung vom Tierarzt und ein Post voller Emojis mit Knarren und Mordfantasien. Wer braucht schon Forensik, wenn man ein Meme hat.
Spoiler: Die Katze wurde vermutlich überfahren, von jemandem auf die Wiese gelegt (immerhin kein kompletter Psychopath), und plötzlich stand der digitale Pranger. Fakten sind doof, denn die machen’s kompliziert. Viel einfacher ist es, wild zu drohen, zu hetzen und im Kommentarbereich den Mob zu entfesseln.
Wenn man die Energie stattdessen in eine Spendenaktion gesteckt hätte, gäbe es heute vielleicht eine kleine schwarze Katze mit Rollstuhl statt eines Grabes.
Aber hey, Hass ist halt billiger als Hilfe. Billiger und so verdammt bequem vom Sofa aus, die Schale Chips neben der Tastatur, der Softdrink in der Hand.
Frühling, Hormone, Gift und andere Katzen-Killer
Freigänger leben gefährlich, und das liegt nicht an einer geheimen Lieferwagen-Verschwörung, sondern an ganz profanen Dingen:
- Hitze macht träge = langsame Reaktion auf herannahende Blechmonster.
- Hormone machen blind = Romeo rennt quer durchs Revier.
- Mäuse sind langsam = vergiftete Beute wird zur tödlichen Mahlzeit.
- Hunde beißen schneller als du „Miez Miez“ sagen kannst.
- Jäger mit Tunnelblick und Füchse auf Tour = Bye bye Kitty.
Aber klar – lasst uns weiter den weißen Lieferwagen jagen. Ist schließlich einprägsamer als „multifaktorielle Gefahrenlage mit realitätsnaher Risikobewertung“.
Bei unkastrierten Katzen melden sich die Hormone zu Wort und machen sie völlig ferngesteuert. Sie verlassen ihr sicheres Gebiet blind ihren Hormonen folgend, um den Traumpartner zu finden und verunglücken dabei nicht selten.
Die meisten Tiere werden tot oder schwer verletzt natürlich nie mehr nach Hause kommen.
Beutetiere gibt es jetzt en Masse. Ein Fest für das Raubtier Katze!
Das stört aber auch den Nachbarn, der sich durch absurde Ängste dadurch genötigt fühlt ordentlich Giftköder in seinem Garten auszulegen, um sich der Mäuseplage möglichst elegant zu entledigen.
Katze frisst sterbende und jetzt auch langsamere Maus und nimmt genügend Gift auf, um sich dabei auch noch zu töten.
Es gibt leider auch Hunde mit starkem Jagdtrieb und die töten mit einem gezielten Biss eine ausgewachsene Hauskatze mit Leichtigkeit. Das tote Tier bleibt auch hier meist verschwunden. Füchse und große Raubvögel bringen leider auch Jungtiere um und so enden oft auch kleine Kitten frühzeitig.
Man braucht also nicht lange suchen, um eine enorme Liste an tödlichen Gefahren für unsere Freigänger erstellen zu können und wir sind hier noch nicht einmal auf die Problematik von erschossenen Katzen und engstirnigen Jägern eingegangen.
Jenseits von irren Tierquälern gibt es reichliche Gründe für eine Katze zu verunglücken.
Eine tote Katze kommt nicht mehr nach Hause
SIE BLEIBT VERSCHWUNDEN!
Sucht die Schuld nicht bei Anderen oder gar imaginären Tierquälern mit Schlagfallen und weißen Lieferwagen – überlegt lieber was IHR tun könnt, um die Katze gar nicht erst diesen Gefahren auszuliefern.
Wenn ich diese Gefahren kenne, frage ich mich wie Katzenhalter noch ruhigen Gewissens schwarze/dunkel getigerte Katzen nachts an Straßen rauslassen können oder der Katze unbesorgt nachzuwinken, wenn sie die Terrassentüre durchschreitet.
Die wenigstens von uns wohnen so, dass wirklich ein Freigang ohne Einschränkung möglich ist. Wenn kein Verkehr in der näheren Umgebung ist, muss man noch an andere Wildtiere denken welche Katzen reißen.
Lebt man in einer Sackgasse muss man trotzdem mit Giftködern rechnen.
Nicht selten schleichen sich Katzen in den Motorenraum eines PKWs und werden beim Starten des Fahrzeugs vom Keilriemen erfasst. Hier wurden Katzen schon bei lebendigem Leib gehäutet.
Wenn die Katze raus soll, ist es doch wirklich naheliegend über die Sicherung des Gartens nachzudenken. Jeder Hundebesitzer weiß, dass ein freilaufender Hund sich in Lebensgefahr begibt, und bei einer Katze ist es keinesfalls anders.
Im Gegenteil – sie ist noch unauffälliger und wird aufgrund ihrer Größe allein schon übersehen!
Ein vernetzter Balkon und ein gesichertes Fenster schützen ebenfalls vor Ausbruch und lasst eure Katzen chippen, auch wenn sie in der Wohnung leben.
So hat man evtl. noch die Chance das Tier lebend zurückzubekommen oder hat zumindest Gewissheit was dem Tier widerfahren ist. Manchmal werden Katzen auch aus vermeintlichen Streunertum heraus von zu hilfsbereiten Passanten mitgenommen. Ein Chip klärt die Situation beim nächsten Tierarztbesuch und Ihr bekommt Eure Katze vielleicht sogar zurück.
Jagt nicht den weißen Lieferwagen!
Schützt Eure Katzen vor den bekannten Gefahren! Sie brauchen Eure Hilfe und sind auf euren Verantwortungsbewusstsein angewiesen.
Auch wenn es bis heute gut ging- irgendwann kommt der Tag X und dann ist es vielleicht zu spät.
Und ganz ehrlich…den Satz:
„Dafür hatte sie aber ein schönes Leben…“
mag keiner mehr hören, denn das kleine Kitten, das ich unlängst tot auf der Straße fand mit gerade mal wenigen Wochen – das hatte nämlich sicher kein schönes Leben …..
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